Die Erfolgsbilanz von GOTTHARD musste im Laufe der Zeit
schon ein paar Dämpfer hinnehmen, aber im Großen und Ganzen zeigte die Kurve
immer steil nach oben. Nicht erst seit gestern sind die Schweizer die
erfolgreichste Rockband aus dem Alpenstaat. Dass sie diesem Prädikat auch
gerecht werden können und wollen, nach dem ihr langjähriger Frontmann Steve Lee
bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen ist, zeigt das neue Album
„Bang!“.
Natürlich war am Anfang noch überhaupt nicht klar, ob und
wie es mit der Band weitergehen soll, aber nach reiflicher Überlegung
entschlossen sich Leo Leoni (guitars), Marc Lynn (bass), Hena Habegger (drums)
und Freddy Scherer (guitars) dazu, mit einem neuen Mann am Mikro einen
Neuanfang zu wagen. Die Wahl fiel dabei auf den gebürtigen Schweizer und
Wahlaustralier Nic Maeder, der sich in den letzten zwei Jahren in die Band
„gekämpft“ hat.
„Es war wahnsinnig
viel Arbeit“ meint Marc Lynn. „Uns
war wichtig, dass wir weiterhin qualitativ hochwertig weitermachen. Natürlich
stand die Entscheidung im Raum, ob wir weitermachen, aber wir haben uns für Nic
entschieden und natürlich dazu, dass wir GOTTHARD weiterführen möchten. Es war
nicht einfach, mit einem relativ unerfahrenen Sänger neu zu starten und wir
sind mit unserer Arbeit noch lange nicht am Ende, aber Nic hat sich ordentlich
reingekniet. Das schwierigste war allerdings, jeden Abend wenn Du auf die Bühne
gehst, zu gucken wie das Publikum reagiert. Das kann heute in München super
sein, morgen in Paris aber ganz anders. Das war für uns alle schwer, am
schwersten aber für Nic, aber nach und nach hat er eine gewisse
Selbstsicherheit generiert und wir stehen natürlich alle hinter ihm.“
Und diese positive Energie hat sich auch auf das neue Album
übertragen. „Bang!“ ist ein Ausruf!“
sagt Leo Leoni. „Es symbolisiert Kraft.
Der Titeltrack hat in den Lyrics Zeilen wie „We´re bangin´ around the world“,
wir kommen zu Euch um zu rocken, überall auf der Welt. Es steht für eine
Explosion!“. Und um mangelnde Inspiration für immer neue Songs müssen sich
GOTTHARD auch keine Sorgen machen. „Wir greifen
einfach Situationen aus dem Leben auf. Das Leben ist jeden Tag da, es bereitet
Dir jeden Tag Überraschungen – egal ob gute oder schlechte.“ meint Leo
Leoni. „Bei „C´est La Vie“ zum Beispiel
geht es darum, dass Du Dir Deine Träume nicht wegnehmen lassen sollst, Du
sollst sie leben. „Spread Your Wings“ ist ein Song über den Tod. Wenn jemand
stirbt wird er nicht mehr zurückkommen. Aber er hat eine positive Energie, er
soll den Leuten Kraft geben. Es ist eine schwierige Situation, aber Du musst
nach vorne schauen und Dein Leben leben.“
Und Marc Lynn ergänzt: „Wir
sind eine Band, die immer Freude daran hat, etwas Neues zu entdecken. Manchmal
kommt Leo mit einer Idee an und sagt: Mensch, lass uns das mal probieren. Lass
uns wie bei „Bang!“ so nen Boogiestyle a´la ZZ-TOP probieren. Das bringt
Frische in die Band. Wir versuchen immer wieder etwas Neues zu bringen – für
uns selber. Um dann die anderen damit zu begeistern.“
Und das ist GOTTHARD
auf dem neuen Album so abwechslungsreich und zielsicher gelungen wie vielleicht
noch nie in der mittlerweile 25jährigen Bandgeschichte. Ganz wichtig war es
speziell Leo Leoni, einmal „Danke“ zu sagen: „Thank You“ ist ein sehr wichtiger Song für mich. Er ist allen Müttern
dieser Welt gewidmet. Speziell aber auch meiner Mutter. Sie war bereits krank,
als ich zu ihr ging und ihr gesagt habe, dass ich diesen Song schreiben werde.
Es ist sehr wichtig, sich bei demjenigen zu bedanken, der einem das Leben geschenkt
hat. Daraus wurde ein gewaltiges Statement mit über 10 Minuten Spielzeit.
Anfangs haben wir mit einer simplen Akustikgitarre experimentiert, nach und
nach haben wir den Song immer weiterentwickelt und versucht, durch die
Streicher mehr Gefühl hineinzubringen. Dadurch hat „Thank You“ mehr Emotion
erhalten und auch mehr Dynamik. Wenn Du Dir den Song anhörst, kannst Du einen
Film vor Dir sehen. Den Film Deines Lebens. Für mich ist es sehr wichtig, Danke
zu sagen. Und es ist wichtig, Danke zu sagen, wenn Deine Mutter noch am Leben
ist. Danach ist es zu spät!“ Und Marc Lynn fügt hinzu: „Ich habe zwar den Song nicht geschrieben, aber mir gefällt die Idee
dahinter sehr gut. Ich finde, jeder sollte sich dafür bedanken, dass die Mütter
uns geboren und großgezogen haben – das haben wohl die wenigsten je gemacht.
Und dieser Song soll ein Anstoß für jeden sein, das zu tun. Je länger ich
darüber nachdenke, desto wichtiger empfinde ich das.“
Aber „Bang!“ kann noch mehr, weiß der Bassist: „Es gibt ganz viele besondere Songs. Als wir
mit dem Songwriting begonnen haben, hatten wir nach ein paar Monaten fast nur
spezielle Songs wie „Thank You“ oder „C´est La Vie“. Aber natürlich wollten wir
auch Nummern auf dem Album haben, die man einfach mit GOTTHARD verbindet,
klassischen Stoff sozusagen. Wir erleben auf dem Album Frische, Melodie und
Harmonie aber auch Härte. In den Texten erleben wir viel Freude am Leben,
natürlich auch Nachdenkliches. Es soll aber ein motivierendes Album sein.“
Entstanden ist es einmal zu Hause im eigenen Studio: „Wir leben quasi im Studio. Das einzige was
wir brauchen ist eine Kiste Bier!“ lacht Leo Leoni. „Wir haben den Luxus, ein eigenes Studio zu haben und dort machen wir
alles vom Songwriting bis zur Pre-Production“. „Songs entwickeln sich auch mit der Zeit.“ meint Marc Lynn. „Die Grundstrukturen bleiben zwar gleich,
aber die musikalischen Details verändern sich. Die Verfeinerungen benötigen
viel Zeit.“ Und dieses Mal sind GOTTHARD ein kleines Wagnis eingegangen, in
dem sie mit Charlie Bauernfeind einen Produzenten ins Boot geholt haben, den
man vielleicht nicht erwartet hätte. Zusammen mit Gitarrist Leo Leoni hat er
die Platte produziert. Auch für die Wisseloord Studios, wo der finale Mix in
die Hände von Soundguru Ronald Prent gelegt wurde, hat er nur lobende Worte
übrig: „Wisseloord ist ein tolles Studio!
Und ein bekanntes dazu. Wir haben bereits zum dritten Mal mit Ronald Prent
gearbeitet, die Ausstattung dort ist sensationell. Und Ronald ist ein toller
Typ, er ist einer der besten Engineers und er ist ein bisschen Old-School. Die
Mischung aus Charlie und mir war ebenfalls super. Charlie kommt aus der
Metalszene und wir haben den Rock´n Roll ins Spiel gebracht. Diese Kombination
hat einfach gepasst, so dass wir ein gutes Ergebnis zu Ronald bringen konnten,
der dann für das Mixing zuständig war und alles auf die nächste Stufe gehievt
hat.“
Mit dem neuen Longplayer endet auch die Ära Nuclear Blast,
bei denen die Tessiner einige Jahre unter Vertrag waren. „Wir waren sehr zufrieden mit Nuclear Blast.“ konstatiert Mark
Lynn. „Aber vielleicht war es einfach an
der Zeit, etwas Anderes auszuprobieren. Nuclear Blast wollte mit uns neue
Schritte gehen im Rocksektor, irgendwie hat es aber nicht so richtig geklappt.
Erst jetzt haben sie einige Vintage Bands aufgenommen, das war uns aber etwas
zu spät. Wir verlassen die Company mit einem weinenden und mit einem lachenden
Auge. Es war gut bei ihnen, sie haben gut gearbeitet, aber nach langen Jahren
wird es manchmal Zeit für einen neuen Partner (PIAS – Play It Again Sam) –
frischer Wind ist damit garantiert. Aber die Stimmung bei Nuclear Blast ist
immer noch gut, vielleicht arbeiten wir in Zukunft erneut zusammen – wer
weiß?!“
Und auch die Verpackung von „Bang!“ ist etwas ganz
Besonderes geworden meint Marc Lynn: „Nach
„Firebirth“ war es schwierig, noch einen draufzusetzen. Das Artwork fanden wir
super und nachdem wir uns mit unserem neuen Sänger ein weiteres Mal etabliert
haben, dachten wir auch hier mal etwas Neues zu wagen. Auch in der Musik decken
wir ja eine große Bandbreite an Sounds ab und so wollen wir auch beim Cover
etwas haben, was so bei uns noch nicht da war. Es muss halt einfach passen,
egal in welchem Stil.“ Und Leo Leoni ergänzt: „Ja, das war so eine Cartoon-Idee im Stile von Quentin Tarantino. Das
Mädchen nennen wir Katie und wir fanden es einfach mal etwas Neues, was es von
GOTTHARD noch nicht gegeben hat und man vielleicht auch nicht erwartet hätte.
Es ist auch ein sehr plakatives Cover!“
Auf die Frage, wie wichtig den Jungs der Spitzenplatz in den
heimischen Charts ist, den sie seit Anbeginn praktisch gebucht haben, meint
Marc Lynn: „Das kann ich Dir mal sagen,
wenn wir mal nicht mehr Pole Position sind. Man hofft natürlich immer darauf
und viele sehen es als selbstverständlich an. In der heutigen Welt ist nichts
selbstverständlich, es ist aber schon toll. Natürlich hatten wir auch andere
Highlights wie den Einstieg in die Top 10 in Deutschland. Aber es ist nicht das
Wichtigste, die Nummer 1 zu sein, sondern dass die Leute unsere Musik mögen, dass
sie unsere Konzerte gut finden und dass wir ihnen etwas geben kann. Ich bin
gerne Nummer 5 und wir verkaufen es über einen längeren Zeitraum, weil den
Menschen unsere Musik gefällt. Das ist uns wichtiger als eine Nummer 1. Du hast
natürlich auch einen gewissen Druck – wie wird es wohl sein, wenn Du das erste
Mal nicht die Nummer 1 bist. Uns ist es einfach wichtiger, den Leuten etwas zu
geben, was sie mögen.“
Da kommt natürlich die Frage auf, ob die Fans heute etwas
aufgeschlossener gegenüber Veränderungen sind als noch vor einigen Jahren, wo
sich GOTTHARD nach der hochgelobten Akustikscheibe „D-Frosted“ mit dem nächsten
regulären Werk „Open“ bei den alten Fans etwas in die Nesseln gesetzt hatten.
Marc Lynn ist sich ganz sicher: „Viele!
Ein paar zwar immer noch nicht, aber das sind meist diejenigen, die uns nicht
mehr verfolgt haben. Unsere Kurskorrektur war begründet – wir haben die Akustik
CD gemacht („D-Frosted“) und die hat so viele Leute begeistert, dass wir uns
gedacht haben, diese neuen Fans mit in die Rockmusik ziehen zu können. Außerdem
lief zu der Zeit klassischer Gitarrenrock einfach nicht und natürlich wollten
wir auch überleben. Und der dritte Grund war, dass das Album eigentlich viel
härter gewesen ist, als es dann letztendlich gemischt wurde. Unser damaliger
Produzent wollte uns da in eine Ecke drängen. Wir haben da vielleicht etwas zu
wenig auf unsere Meinung gepocht. Danach konnten wir nicht sofort zurück zu den
härteren Sounds. Wir mussten den langen Weg über einige Alben gehen um wieder ordentlich
zu rocken. Die Steigerung ist ja auch zu spüren: spätestens „Lip Service“ war
wieder in dieser Spur aber auch „Human Zoo“ hat schon gerockt. Viele verfluchen
uns deswegen vielleicht aber wir wollten auch andere Dinge ausprobieren.
Wichtig für uns ist nicht wo Du warst, sondern wo Du bist. Wenn wir in der Band
reden, dann sagen wir immer: Wir haben 3 LP´s die uns wirklich bewegen. Das war
„G.“, „Lip Service“ und die „Firebirth“. Das sind die drei, die uns persönlich
am besten gefallen.“
„D-Frosted“ war
einfach eine komplett andere Geschichte.“ bestätigt Leo Leoni. „Wenn Du Dir die ganzen Alben anschaust,
dann hatten wir auf den ersten beiden Alben jeweils einige richtig gute Songs,
aber die „G.“ ist einfach ein großartiges Album, wo alle Songs toll sind.“
„Auf der anderen Seite
ist „Heaven“ (von „Homerun“) einer unserer bekanntesten Songs“ weiß Marc
Lynn, „außer vielleicht bei den Rockern,
die lieben halt „Mountain Mama“. Aber unterm Strich zählt der Song neben „One
Life, One Soul“ zu unseren bekanntesten.“ Leo Leoni fasst zusammen „Wir wollen uns auch immer weiterentwickeln.
Wenn Du an einem Punkt stehen bleibst, wirst Du nicht überleben können. Uns
gibt es jetzt seit 25 Jahren, vielleicht haben wir immer mal wieder etwas nicht
richtig gemacht, aber so schlimm kann es nicht gewesen sein – wir sind immer
noch hier hahaha.“
Auch auf den Bühnenbrettern sind GOTTHARD eine ganz
besondere Band, die den Ruf als eine der besten Livebands auf diesem Planeten
genießt. Marc Lynn hat dafür eine einfache Erklärung: „Wir lieben was wir tun. Außerdem sind wir ein Team, wo jeder weiß,
dass er ohne den anderen hilflos ist – was nicht heißen soll, dass der Einzelne
nichts kann. Aber wir wissen auch, dass wir in diesem Team noch viel stärker
sind. Und wir haben uns schon früh angeeignet, dass der Spaß aufhört, wenn wir
auf die Bühne gehen. Und irgendwie fängt er aber auch erst an…denn wir haben
den Drang, die Leute zu begeistern. Jeden Abend aufs Neue. Wenn mal jemand
einen schlechten Tag hat, sind immer noch die anderen da, die richtig Schub
geben können. Die Leute sind wegen uns da, sie haben Eintritt bezahlt und sind
bereit. Es liegt also an uns. Ich glaube es ist eine gewisse Magie, die wir in
der Band haben.“ Aber auch im bewegten Alltag der Band gibt es noch besondere
Augenblicke, wie der Auftritt im Züricher Opernhaus 2013, wo man unplugged
performte: „Das war ein ganz besonderer
Abend.“ schwärmt Leo Leoni. „Wir
waren mitten in der Produktion zu „Bang!“ und haben uns dazu entschieden, diese
Akustikshow zu spielen. Wir waren die erste Rockband, die jemals in diesem
Opernhaus gespielt hat. Und es war ein Benefizkonzert für das Lighthouse, das
Obdachlose und Kranke unterstützt. Daher war es sehr wichtig für uns, das zu
machen.
Auch Marc Lynn zeigt sich begeistert: „Wir haben auch schon mal darüber geredet, ein zweites Unplugged-Album
zu machen. Wir haben viele Songs auf der Seite und wir sind keine Band, die
unbedingt stilbezogen handelt. Wir lieben es einfach, gute Songs zu schreiben
und wir sind eine Hardrockband – dafür leben wir. Aber beim Akustischen geht es
ums musikalische. Da zeigt sich dann ob Du´s kannst, oder ob es nur der
Verstärker kann. Und Du kannst auch akustisch rocken! Außerdem waren in Zürich
Leute zwischen 20 und 70 Jahren, die alle gestanden sind. Dort waren Politiker,
alle haben Standing ovations gemacht. Ich habe einen alten Mann gesehen, der
seine Nachbarin gebeten hat, ihm zu helfen, seine Jacke auszuziehen, damit er
tanzen kann. Er konnte nicht alleine seine Jacke ausziehen aber er wollte tanzen.
Und wie gesagt: man kann auch unplugged rocken!“
Natürlich gab es auch auf der vergangenen Tournee, die ja
die erste mit Nic Maeder war, einige Highlights, so Leo Leoni: „Schon unsere erste Show in Lugano war toll.
Es war fantastisch zu sehen, wie die Leute reagiert haben. Da kam so viel
Energie zurück…unsere Gefühle vorher waren sehr gemischt, aber als wir auf der
Bühne waren, war alles gut.“
„Das war die erste
Show in der Schweiz und dann gleich vor 10.000 Leuten. Und es ist immer etwas
Besonderes in Deiner Heimatstadt zu spielen.“ ergänzt Marc Lynn. „Dann auch hier in München, das Tollwood
Festival ist auch super, obwohl es da immer die Probleme mit der Lautstärke
gibt. Aber wir hatten sehr viel Spaß und wir lieben es in München zu spielen.
Wir haben ja hier immer die meisten Fans vor Ort – was Deutschland angeht. Die
Leute gehen voll mit und wissen, wie man feiert. Und wir spielen hier immer
besondere Shows, die es so praktisch nirgends in Deutschland zu sehen gibt –
außer eben im Süden und natürlich in der Schweiz. Ich denke da z.B. an die
Dudelsäcke, die sind Jungs sind nicht immer mit uns auf Tour.“
Das macht natürlich Appetit auf die kommenden Shows zur
neuen Platte. Bereits im April geht es los, die genauen Dates findet Ihr HIER.
Steve Lee wird immer unvergessen sein, er war ein ganz
Großer, sowohl was seine Stimme als auch seine Aura angeht – aber GOTTHARD
besinnen sich auf ihre Stärken und stehen mit Nic Maeder und speziell mit ihrem
neuen Album voll im Saft. Die Zeichen stehen auf Sturm und der große Knall kurz
vor seiner Veröffentlichung – seid gespannt, unsere Rezension folgt in Kürze…
Stefan
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen